Diagnose
Warum ist Diagnose eine Priorität für Menschen mit einer seltenen Erkrankung?
Eine Diagnose ist die wichtigste Voraussetzung für den Zugang zu angemessener medizinischer und sozialer Versorgung. Mit der richtigen Diagnose können Menschen mit einer seltenen Erkrankung und ihre Familien auch bei Mangel an Behandlungen für ihre Versorgung und ihre Zukunft planen.
Bei vererbbaren Erkrankungen sind in einigen Familien mehrere Geschwister betroffen. Für diese Familien verstärkt eine fehlende Diagnose das Risiko und die Sorge, ein weiteres Kind mit der gleichen nicht diagnostizierten Erkrankung zu haben.
„Falls Sie eine seltene Erkrankung haben, richtet sich die Chance, eine Diagnose zu erhalten, oft danach, wo sie geboren sind. Deshalb mache ich mit bei der EURORDIS-Arbeitsgruppe für Neugeborenen-Screening. Ich möchte zur Verbesserung der Neugeborenen-Screening-Programme beitragen und eine frühere, korrekte Diagnosestellung für seltene Erkrankungen erreichen. „
Eduardo López, Präsident der spanischen Patientenorganisation für lysosomalen sauren Lipase-Mangel (AELALD)
Über Diagnose
Im Überblick: verwandte Themen
Einige Menschen leben Monate, Jahre oder ihr ganzes Leben lang mit einer nicht diagnostizierten Erkrankung. Sie begeben sich auf eine Odyssee auf der Suche nach einer Diagnose. Darüber hinaus können Fehldiagnosen unangemessene Behandlungen und Versorgungsoptionen zur Folge haben.
Das Leben mit einer nicht diagnostizierten Erkrankung kann extreme Herausforderungen mit sich bringen. Das Warten auf eine Diagnose verursacht Patienten und ihren Familien Schmerz und Stress. Dies verstärkt zusätzlich Gefühle der Isolation und der Ausgrenzung, die sich durch den chaotischen Weg auf der Suche nach einer Diagnose mit zahlreichen Überweisungen, Untersuchungen und der Evolution von Erkrankungen noch verschlimmern. Nach einer akkuraten genetischen Diagnose erhalten Familien üblicherweise eine genetische Beratung. Hierbei werden ihnen die Auswirkungen erklärt, damit sie diese Informationen besser verarbeiten können.
Es gibt mehrere Gründe, warum Patienten nicht diagnostiziert werden.
- ‘Noch nicht diagnostiziert’ bezieht sich auf Patienten, deren Erkrankung noch nicht diagnostiziert wurde, weil die Patienten noch nicht an den relevanten Arzt überwiesen wurden, da ihre Symptome häufig bzw. irreführend sind oder ein ungewöhnliches klinisches Erscheinungsbild einer bekannten seltenen Erkrankung haben.
- ‚Nicht diagnostiziert’ (Syndromes Without a Name oder SWAN) bezieht sich auf eine Erkrankung, für die es noch keine Tests zur Diagnosestellung gibt. Die Erkrankung wurde noch nicht charakterisiert bzw. ihre Ursache noch nicht identifiziert. Diese Patienten können auch fehldiagnostiziert werden, da ihre Erkrankung als eine andere wahrgenommen werden kann. Diese Erkrankungen sind ebenfalls wahrscheinlich selten.
Ein wesentlicher Einflussfaktor für die Dauer der „Odyssee bis zur Diagnose“ hängt oft davon ab, wie schnell und effektiv ein Patient von der medizinischen Grundversorgung und Allgemeinmedizinern in spezialisierte Versorgungszentren (idealerweise ein Fachzentrum für seltene Erkrankungen) überwiesen wird. Die Europäischen Referenznetzwerke verbinden solche Fachzentren europaweit und ermöglichen so den Patientenzugang zu einer rechtzeitigen Diagnose.
Ein wesentlicher Einflussfaktor für die Dauer der „Odyssee bis zur Diagnose“ hängt oft davon ab, wie schnell und effektiv ein Patient von der medizinischen Grundversorgung und Allgemeinmedizinern in spezialisierte Versorgungszentren (idealerweise ein Fachzentrum für seltene Erkrankungen) überwiesen wird. Die Europäischen Referenznetzwerke verbinden solche Fachzentren europaweit und ermöglichen so den Patientenzugang zu einer rechtzeitigen Diagnose.
Beispiellose und schnelle Entwicklungen in wissenschaftlichen und Gesundheitstechnologien bieten Hoffnung für die Diagnosestellung. Next-Generation-Sequenzierung (NGS), ein Überbegriff für Sequenzierung von Gesamtexomen (WES – whole exome sequencing) und der Sequenzierung von Gesamtgenomen (WGS – whole genome sequencing), sowie auf künstliche Intelligenz gestützter Technologie, revolutionieren die diagnostische Forschung. Lobbyarbeit in der Gemeinschaft von Patienten mit nicht diagnostizierten seltenen Erkrankungen konzentriert sich speziell auf schnelleren und sinnvolleren Zugang zu diesen Technologien, die allerdings noch vollständig in die Gesundheitssysteme in ganz Europa integriert werden müssen.
Weiterhin haben einige europäische Länder noch viel zu tun, um die Anzahl der mit Neugeborenen-Screening-Programmen abgedeckten Erkrankungen zu erhöhen, da dies unmittelbar zu einer früheren Diagnose für seltene Erkrankungen mit zugelassenen Behandlungen und Therapien führen kann.
EURORDIS Ziele im Bereich Diagnose:
- Erstens: Lobbyarbeit für verbesserten Zugang zu korrekter Diagnose für seltene Erkrankungen.
- Einbindung von Patientenvertretern bei der Entwicklung von Forschung und neuen Technologien/Dienstleistungen zur Verbesserung der Diagnosestellung.
- Drittens: Lobbyarbeit für gleichberechtigten Patientenzugang zu Next-Generation-Sequenzierung in ganz Europa.
- Viertens: Lobbyarbeit zur Erhöhung der Anzahl der untersuchten seltenen Erkrankungen innerhalb der Neugeborenen-Screening-Programme (NBS) und für gleichberechtigteren Zugang zu diesen NBS-Programmen in Europa.
Unsere Arbeit im Bereich Diagnosestellung
Lobbyarbeit
Entsprechend den Zielen von IRDiRC (the International Rare Diseases Research Consortium) – „Alle Patienten werden innerhalb eines Jahres nach der medizinischen Auffälligkeit aufgrund des Verdachts einer seltenen Erkrankung diagnostiziert, vorausgesetzt ihre Erkrankung ist bekannt in der medizinischen Literatur; alle aktuell nicht diagnostizierten Personen werden Teil einer global koordinierten Diagnostik- und Forschungspipeline“ – EURORDIS setzt sich ein für rechtzeitigen Zugang zu einer verbesserten Diagnose für Menschen mit einer seltenen Erkrankung.
Mit diesem Ziel starteten wir und beteiligen wir uns an zahlreichen Initiativen:
- EURORDIS ist ein zentrales Mitglied der Regulierungs- und Betriebsausschüsse innerhalb des EJP (European Joint Programme) für Seltene Erkrankungen. Ziel des Programms ist die Einrichtung eines Ökosystems für eine besser koordinierte Forschung im Bereich der seltenen Erkrankungen in Europa, einschließlich der Entwicklung von und Zugang zu diagnostischen Hilfsmitteln.
- Die Globale Kommission für ein Ende der Odyssee auf der Suche nach einer Diagnose für Kinder (Global Commission to End the Diagnostic Odyssey for Children with a Rare Disease), unter gemeinsamem Vorsitz von EURORDIS, ist eine multidisziplinäre Expertengruppe, die eine umsetzbare Strategie entwickelt hat, um den Bereich der seltenen Erkrankungen bei der Verkürzung der Odyssee bis zur Diagnose anzuleiten.
- 2019 richtete EURORDIS die Arbeitsgruppe für Neugeborenen-Screening ein, einschließlich aber nicht begrenzt auf Patientenvertreter. Die Arbeitsgruppe überprüft die aktuellen Strategien und Verfahren der Neugeborenen-Screening-Programme (NBS), um Empfehlungen für eine harmonische Übernahme von NBS-Programmen in allen EU-Mitgliedstaaten zu entwickeln.
- Die von EURORDIS geleitete prospektive Studie Rare 2030 wird mit Empfehlungen für die Zukunft der Politik für seltene Erkrankungen abschließen. Diese werden u. a. erläutern, wie der Zugang zu akkurater und rechtzeitiger Diagnose verbessert werden kann.
- 2016 veröffentlichten EURORDIS und einige andere Organisationen die gemeinsamen internationalen Empfehlungen zur Adressierung der spezifischen Bedürfnisse von Patienten mit nicht diagnostizierten seltenen Erkrankungen (International Joint Recommendations to Address Specific Needs of Undiagnosed Rare Disease Patients).
- EURORDIS Patientenvertreter im vorherigen EU-Sachverständigenausschuss für seltene Erkrankungen trugen bei zu einer Stellungnahme über potenzielle Bereiche für europäische Zusammenarbeit beim Neugeborenen-Screening. Außerdem trugen Patientenvertreter der vorherigen Expertengruppe der Europäischen Kommission für seltene Erkrankungen zu den Empfehlungen von 2015 über die grenzüberschreitende genetische Untersuchung seltener Erkrankungen in der EU bei.
- 2009 veröffentlichte EURORDIS „The Voice of 12,000 Patients, Experiences & Expectations of Rare Disease Patients on Diagnosis and Care in Europe“. Dieser Bericht stützt sich auf die Umfragen EurordisCare2 und EurordisCare3 und dient als Informationsinstrument und Hilfsmittel für die Lobbyarbeit von Patienten, Patientenorganisationen, Beschäftigten des Gesundheitswesens und Gesundheitsbehörden.
Beteiligung
Solve-RD ist ein Forschungsprojekt finanziert von der Europäischen Kommission zur Verbesserung der Diagnose einer großen Anzahl von seltenen Erkrankungen. Innerhalb des Projekts richtete EURORDIS eine CETF (Community Engagement Task Force) ein. Ihr Ziel ist es, eine vereinte und engagierte Gemeinschaft mehrerer Interessenvertretungen wie Patienten, Wissenschaftler und Ärzte, die sich für die Verbesserung der Diagnose und Versorgung von ultra-seltenen Erkrankungen einsetzen und die Bedürfnisse der nicht diagnostizierten Gemeinschaft unterstützen.
Mit CETF unterstützt und ermöglicht EURORDIS die Beteiligung von Interessenvertretern innerhalb und über Initiativen und Netzwerke hinweg im Bereich der Diagnose auf europäischer und internationaler Ebene, einschließlich:
- Das internationale Netzwerk für nicht diagnostizierte Erkrankungen (UDNI – Undiagnosed Disease Network International) vereint Ärzte, Forscher, Genetiker und andere medizinische Fachkräfte aus aller Welt zur Zusammenarbeit bei der Diagnose der schwierigsten und hartnäckigen Fälle. Um die Patientenvertretung in diesem Projekt zu gewährleisten, entwickelten NORD, EURORDIS und die Wilhelm Foundation eine Mitgliedsoption für Patientenbeteiligung, damit Patientenorganisationen sich dem UDNI anschließen können;
- Die globale Kommission für ein Ende der Odyssee auf der Suche nach einer Diagnose für Kinder mit einer seltenen Erkrankung; und
- SWAN Europe ist eine Koalition an Gruppen, Organisationen und Unterstützungsnetzwerken, die mit von Erkrankungen betroffenen Familien und/oder Patienten zusammenarbeiten, ohne den Namen dieser Erkrankung zu kennen bzw. ohne Diagnosestellung. EURORDIS ist Mitglied bei SWAN Europe. Mitgliedsorganisationen von SWAN Europe unterstützen die gemeinsamen internationalen Empfehlungen zur Adressierung der spezifischen Bedürfnisse von Patienten mit nicht diagnostizierten seltenen Erkrankungen und die Anerkennung dieser Gruppe als eine eigenständige Gemeinschaft.
Durch das Zusammenführen von Forschern und Ärzten über Europäische Referenznetzwerke soll der Zugang zu rechtzeitiger Diagnose in ganz Europa ermöglicht werden. ERNs ermöglichen virtuelle medizinische Beratungen zu schwer diagnostizierbaren Fällen. EURORDIS spielte eine entscheidende Rolle bei der Einrichtung der ERNs und bei der Beteiligung von Patienten in den ERNs über die europäischen Patienteninteressengruppen (ePAGs). Durch das Zusammenführen von Forschern und Ärzten über Europäische Referenznetzwerke soll der Zugang zu rechtzeitiger Diagnose in ganz Europa ermöglicht werden. ERNs ermöglichen virtuelle medizinische Beratungen zu schwer diagnostizierbaren Fällen. EURORDIS spielte eine entscheidende Rolle bei der Einrichtung der ERNs und bei der Beteiligung von Patienten in den ERNs über die europäischen Patienteninteressengruppen (ePAGs).
Befähigung
Im Rahmen des Solve-RD-Projekts entwickelte EURORDIS die EURORDIS-Winterschule über wissenschaftliche Innovationen & translationale Forschung, die Patientenvertreter zu Themen wie Forschungsumfeld für seltene Erkrankungen, Genetik, diagnostische Forschung sowie den aktuellen Stand bezüglich gemeinsamer Datennutzung und Gentherapie schult.
Als Mitglied des EJP (European Joint Programme) für Seltene Erkrankungen ermöglicht EURORDIS ebenfalls die Teilnahme von Patientenvertretern an Schulungen zu Registern (die Internationale Sommerschule über Register für seltene Erkrankungen, organisiert durch ISS) und die Führungsfähigkeiten (die EURORDIS-Führungsschule).
Wie können Sie und Ihre Patientenorganisation einen Unterschied bei der Verbessersung von Diagnose erreichen
Patienten können sich für die gemeinsame Nutzung der genetischen Daten von Patienten und klinischen Informationen einsetzen, damit Forscher sehr seltene genetische Varianten abgleichen und somit die Diagnose bestätigen können. Außerdem können Sie sich für die umfassende Umsetzung von Next-Generation-Sequenzierung innerhalb Ihres Gesundheitssystems für die Verbesserung der Diagnose engagieren. Darüber hinaus können Patientenvertreter an der EURORDIS-Winterschule über wissenschaftliche Innovationen & translationale Forschung teilnehmen, um Wissen über die Prozesse zur Diagnose von seltenen Erkrankungen zu erlangen, damit sie Veränderungen beeinflussen können.