Ganzheitliche Versorgung
Warum ist ganzheitliche Versorgung eine Priorität für Menschen mit einer seltenen Erkrankung?
Heute bleiben die 30 Millionen Europäer mit einer seltenen Erkrankung und ihre Familienangehörigen eine Randgruppe und größtenteils nicht wahrgenommene Population, mit wenig Informationen über ihre Erkrankungen und ihre Rechte, wenig Behandlungen und einem hohen Grad an psychologischer, sozialer und wirtschaftlicher Vulnerabilität.
Die meisten Menschen mit einer seltenen Erkrankung leben mit einer Behinderung, ohne dass es eine spezielle Behandlung für ihre Erkrankung gibt. Deshalb brauchen sie die Versorgung und Unterstützung von verschiedenen Beschäftigten des Gesundheitswesens, Sozialarbeitern und lokalen Dienstleistungsanbietern.
Während die Versorgungspfade in europäischen Ländern sehr komplex und fragmentiert bleiben, betreffen die Folgen von seltenen Erkrankungen die Aktivitäten des täglichen Lebens, sozialökonomische Aspekte, Familie, Bildung, Beschäftigung und andere Bereiche der sozialen Eingliederung.
Die Ergebnisse der ersten europäischen Umfrage über die täglichen Auswirkungen von seltenen Erkrankungen (durchgeführt über das EURORDIS Rare Barometer Programm) zeigen die schwerwiegenden Folgen, die seltene Erkrankungen auf das Leben haben:
- 85 % der Umfrageteilnehmer gaben an, dass die seltene Erkrankung sich auf mehrere Aspekte ihrer Gesundheit und ihres täglichen Lebens auswirkt;
- 65 % müssen innerhalb kurzer Zeit verschiedene gesundheitliche, soziale und lokale Dienstleister aufsuchen und 67 % meinen, diese Dienstleister kommunizieren schlecht miteinander;
- 7 von 10 halten das Organisieren der Versorgung für zeitaufwendig und 6 von 10 fällt dies schwer;
- Nicht überraschend mussten mit 7 von 10 Menschen mit einer seltenen Erkrankung und ihren betreuenden Familienmitgliedern auffällig viele ihre beruflichen Aktivitäten reduzieren oder aufgeben und 69 % verspüren Einkommenseinbußen.
Die schwerwiegenden, nicht erfüllten Bedürfnisse von Menschen mit einer seltenen Erkrankung und ihren Familien müssen dringend abgedeckt werden. Dafür ist ein ganzheitlicher und sektorübergreifender Ansatz von Forschung bis Diagnose, Zugang zu Behandlung, gesundheitliche und soziale Versorgung auf nationaler und europäischer Ebene notwendig.
Die seltene Erkrankung meiner Tochter wirkt sich auf verschiedene Aspekte ihres und unseres Lebens aus. Von der Diagnosestellung über Zugang zu Versorgung, Bildung, Arbeitsanstellung bis hin zu einem, soweit uns möglich, unabhängigen und erfüllendem Leben. Wir müssen Teil einer ganzheitlichen Versorgungs- und Unterstützungsstruktur sein, die alle Aspekte unseres Lebens integriert, damit wir die Herausforderungen eines Lebens mit einer seltenen Erkrankung für sie und unsere Familie bewältigen können.“
Dorica Dan, Mutter einer Tochter mit dem Prader-Willi-Syndrom, Mitglied des EURORDIS-Beirats für Sozialpolitik
Über ganzheitliche Versorgung
Ganzheitliche Versorgung umfasst das 360-Grad-Spektrum der gesundheitlichen, sozialen und alltäglichen Bedürfnisse von Menschen mit einer seltenen Erkrankung und ihren Familien.
Menschen mit einer seltenen Erkrankung brauchen Nachsorge und Unterstützung verschiedener Beschäftigten des Gesundheitswesens, oft von mehreren Fachärzten sowie von Sozialarbeitern und anderen lokalen Dienstleistungsanbietern. Diese können u. a. Rehabilitation, Tagesbetreuung, häusliche Pflege, persönliche Assistenten, Entlastungsdienste, angepasste Schulen und Arbeitsplätze, psychologische Unterstützung und soziales Verschreiben umfassen.
Unsere Arbeit
EURORDIS‘ Ambition ist es, bis 2030 eine ganzheitliche Versorgung für die 30 Millionen Menschen mit einer seltenen Erkrankung in Europa und ihre Familien bereitzustellen.
EURORDIS möchte Menschen mit einer seltenen Erkrankung und ihre Familien in eine Gesellschaft integriert sehen, die ganzheitliche Versorgung bereitstellt, indem sie:
- sich ihrer Bedürfnisse bewusst ist und diesen entsprechend effektiv frühzeitige und hochwertige Versorgung bereitstellt;
- die Zugangsbarrieren zu Versorgung, Behandlung, Bildung, Beschäftigung, Freizeit, psychologischer Unterstützung und allen anderen Aspekten der sozialen Eingliederung durchbricht; und
- die alle dazu befähigt, ihre grundlegenden Menschenrechte, gleichberechtigt mit anderen Bürgern, vollständig auszuüben.
Unsere Ziele:
- Erstens: Verbesserung des Zugangs zu hochwertigen und angemessenen sozialen Diensten und Politiken.
- Zweitens: Lobbyarbeit für integrierte Versorgung, verbinden gesundheitlicher und sozialer Versorgung.
- Drittens: Lobbyarbeit für Gleichberechtigung und Chancengleichheit, einschließlich Rechten für Menschen mit Behinderungen und Arbeitnehmerrechten.
Lobbyarbeit
EURORDIS und ihre Mitglieder rufen die EU, alle europäischen Länder und alle Interessenvertreter aus dem Gesundheits- und Sozialbereich auf, sicherzustellen, dass Menschen mit einer seltenen Erkrankung und ihre Familien nicht zurückgelassen werden.
Mit ihrer Lobbyarbeit für ganzheitliche Versorgung möchte EURORDIS die europäischen Länder bei der Umsetzung der Nationalen Pläne für seltene Erkrankungen, der Europäischen Säule Sozialer Rechte, des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Personen mit Behinderungen und der von den Vereinten Nationen gestellten Nachhaltigen Entwicklungsziele unterstützen.
Nur zusammen können wir gewährleisten, dass keiner der 30 Millionen Europäer mit einer seltenen Erkrankung zurückgelassen wird.
Beteiligung
EURORDIS repräsentiert Menschen mit einer seltenen Erkrankung in EU-finanzierten Projekten und entwickelt zusammen mit anderen Interessenvertretern Lösungen für die Förderung einer ganzheitlichen und integrierten Versorgung für Menschen mit einer seltenen Erkrankung.
Als ein Partner des INNOVCare-Projekts (Innovative Patient-Centred Approach for Social Care Provision to Complex Conditions – Innovativer patientenorientierter Ansatz für die soziale Gesundheitsversorgung für komplexe Gesundheitszustände) unterstützte EURORDIS die Überbrückung der Lücken bei der Koordination von medizinischen, sozialen und unterstützenden Dienstleistungen.
Das Projekt entwickelte und erprobte einen ganzheitlichen und personenorientierten Versorgungspfad, bei dem Fallmanager mitwirkten. Menschen mit einer seltenen Erkrankung und ihre Familienmitglieder, die Fallmanagement erhielten, verbesserten ihren Informationsstand über ihre seltene Erkrankung und ihre Rechte, ihr Wissen über verfügbare Dienstleistungen und ihre Fähigkeiten für das Selbstmanagement.
EURORDIS fördert die Beteiligung von Patientenvertretern bei den Reformen für soziale Dienstleistungen, soziale Politiken und integrierte Versorgung über den Beirat für Sozialpolitik, einer Gruppe an ehrenamtlichen Patientenvertretern, die EURORDIS repräsentieren, um über die täglichen Bedürfnisse der Menschen mit einer seltenen Erkrankung aufzuklären und sich für ganzheitliche Versorgung im Bereich der seltenen Erkrankungen zu engagieren.
Als Vorstandsmitglied von RareResourceNet, dem Europäischen Netzwerk an Hilfs- und Beratungszentren für seltene Erkrankungen, gewährt EURORDIS ebenfalls die Beteiligung von Patienten an diesen sozialen und ganzheitlichen Versorgungsdiensten.
Befähigung
Mit der europäischen Umfrage über die Auswirkungen von seltenen Erkrankungen auf das tägliche Leben – ‘Juggling care and daily life: The balancing act of the rare disease community’’ – Jonglieren medizinischer Versorgung im Alltag – der Balanceakt der Gemeinschaft von Patienten mit seltenen Erkrankungen‘ von Rare Barometer sammelte und präsentierte EURORDIS die Ergebnisse, um ihre Mitglieder und die Gemeinschaft von Patienten mit seltenen Erkrankungen insgesamt bei der Aufklärung über die nicht erfüllten alltäglichen Bedürfnisse von Menschen mit einer seltenen Erkrankung und ihren Familienangehörigen zu unterstützen.
Darüber hinaus bestärkt EURORDIS ihre Mitglieder bei der Lobbyarbeit für die ganzheitliche Versorgung für Patienten mit seltenen Erkrankungen. Dazu bieten wir Schulungen zur Kompetenzförderung sowie ein jährliches EURORDIS-Mitgliedertreffen und Treffen des Rats der Nationalen Allianzen sowie des Rats der Europäischen Föderationen.