Sichelzellenanämie: „eine Familienangelegenheit“
Jennys Sohn, Taylor, wurde gleich nach seiner Geburt auf Drepanozytose, Sichelzellenanämie getestet, da Jenny und ihr Mann beide Träger der Sichelzellanlage sind. Ihnen wurde bestätigt, dass Taylor ein gesunder Träger ist. Jedoch als Taylor fünf Monate alt war, hörte er nicht auf zu weinen und Jennys Mutter fielen Taylors geschwollene Hände auf. Nach unzähligen Tests erhielt Jenny einen Anruf, der ihr Leben veränderte.
„Es war Freitag früh; 11 Uhr. Ich werde es nie vergessen! Eine Stimme sagte: ‚Es tut mir leid. Ihr Sohn leidet unter der schwersten Form von Sichelzellenanämie, homozygot SS.‘ Ich solle ihn sofort ins Krankenhaus bringen“, erklärt Jenny. Taylor gerade war neun Monate alt.
Jenny konnte sich keine schlimmere Diagnose und keine schlimmere Art, sie zu erhalten, vorstellen. „Es wird gesagt, diese Kinder werden nicht älter als fünf Jahre. Also dachte ich mir, warum sollte ich es nicht gleich hier und jetzt beenden“, sagt Jenny. Die Familie wohnte im sechsten Stockwerk und Jenny dachte, sie hätte keine andere Wahl, als ihren Sohn zu nehmen und zu springen. Aber dann lächelte er sie von seinem Bettchen aus an und Jenny entschloss sich, für Taylor zu kämpfen.
„Sichelzellenanämie wurde zur Familienangelegenheit. Nicht nur mein Mann und unsere anderen Kinder, sondern meine Brüder und Schwestern, meine Mutter, meine Schwiegermutter, alle kämpfen mit uns“, sagt Jenny.
Taylor ist jetzt fast zwanzig.
Um die Krankheit besser zu verstehen, reiste Jenny in die Gegenden, die am stärksten von Sichelzellenanämie betroffen sind. Sie kontaktierte den Verband APIPD und bald darauf wurde sie dessen Sprecherin und ist seit 1999 Präsidentin des Verbandes. Ihre Priorität ist es, die Lebensqualität für Menschen mit Sichelzellenanämie zu verbessern: „Ich möchte, dass die Regierung Sichelzellenanämie mehr Beachtung schenkt. Die Krankheit betrifft jeden und wir sollten aufhören, sie als Krankheit von Menschen mit dunkler Hautfarbe zu sehen, selbst wenn diese Bevölkerungsgruppe zu einem höheren Grad betroffen ist als andere“, sagt Jenny.
Trotz der bisherigen Errungenschaften des Verbandes – sie haben an vier Telethons teilgenommen und drei ,Drepaction‘-Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit der Gruppe ‚People against Sickle Cell Disease‘ organisiert – fordert Jenny ständig sich selbst und ihr Team von ehrenamtlichen Mitarbeitern heraus, mehr zu machen, es besser zu machen. Ihr Sohn, Taylor, arbeitet oft mit ihr zusammen, trotz seiner Erkrankung und den krankheitsbedingten Problemen. 18 Monate war er an einen Rollstuhl gebunden, er hatte einen plötzlichen Herzstillstand und wurde mehrmals stationär behandelt. Beide haben Bücher über ihr Leben mit der Krankheit geschrieben und setzen sich für die Gründung einer Stiftung in Martinique ein.
Taylor ist genauso entschlossen wie seine Mutter und glaubt, dass „alles möglich ist, ungeachtet jeglicher Erkrankung.“ Trotz mangelnder Unterstützung während der Schulzeit leitet er jetzt sein eigenes Unternehmen und möchte ein IT-Unternehmen gründen und er nimmt Stunden für seine Privatpilotenlizenz.
Jenny wurde als Bemerkenswerte Frau (Femme remarquable) 2010 von Femme Actuelle ausgezeichnet, eine stolze Leistung. Ihr größter Stolz ist jedoch ihr Sohn, ihre Familie, die ehrenamtlichen Mitarbeiter, die sich für die Sache einsetzen, und natürlich alle, die mit Sichelzellenanämie leben und die wie ihr Sohn, Taylor, fest entschlossen sind, ihr Leben in vollen Zügen zu genießen.
Dieser Artikel wurde zuerst in der März 2011 -Ausgabe des EURORDIS-Newsletter veröffentlicht.
Autor: Irene Palko
Übersetzer: Peggy Strachan & Renate Fitzroy
Fotos: © Jenny Hippocrate