Noonan-Syndrom-Engel
MIT EINER SELTENEN KRANKHEIT LEBEN
Sechs Monate nach ihrer Geburt im Juli 2005, wurde bei Margherita ein Noonan-Syndrom diagnostiziert, eine genetische Erkrankung, bei der die normale Entwicklung verschiedener Bereiche des Körpers gestört ist. Obwohl ihre Mutter, Antonella Esposito, eine Psychotherapeutin, damals nichts über seltene Krankheiten wusste, geschweige denn über das Noonan-Syndrom, war ihr klar, dass irgendetwas nicht stimmt. „Vielleicht lag es an meiner Arbeit oder daran, dass Margherita mein zweites Kind ist, ich spürte, dass sie anders war. Wir suchten viele Spezialisten auf, die sich dann mit Margheritas verschiedenen Problemen detailliert beschäftigten. Mich aber interessierte immer die allgemeine Situation, und so erbat ich recht früh eine Chromosomenuntersuchung. Ihr Gesicht machte irgendwie den Eindruck, dass Genetik eine Rolle spielt“, erinnert sich Antonella. Das Noonan-Syndrom kann sich beim Kind in unterschiedlicher Weise äußern: Ungewöhnlicher Gesichtsausdruck, Kleinwuchs, Herzfehler, andere körperliche Probleme und manchmal geistige Behinderuung. Diese Symptome sind von Patient zu Patient verschieden. So kann es manchmal Jahre dauern, bis die richtige Diagnose eines Noonan-Syndroms gestellt wird!
Als Margherita 16 Monate alt war, wurde sie am Herz operiert, aber es sind an ihrem Herz immer noch einige Fehler verblieben. Als Kleinkind hatte sie Fütterprobleme. Ihre Augen fallen durch schräge Lider auf, sie hat tiefsitzende und nach hinten rotierte Ohren, der Brustkorb ist ungewöhnlich geformt, und sie hat einen breiten Hals. Wahrscheinlich wird sie zu klein bleiben.
Für Antonella und ihren Partner veränderte sich das Leben erheblich. Immer wieder verbrachten sie ihre Zeit abwechselnd innerhalb und außerhalb des Krankenhauses, und als Eltern eines Kindes mit einer seltenen Krankheit hörten sie eigentlich nie auf, sich Sorgen zu machen. Eine Krankheit, die bei jedem anderen Kind ‚normal‘ erscheint – Fieber, Erkältung, Husten – kann in diesem Fall eine schwerwiegende Bedeutung haben. Zu Hause einen Patienten mit einer seltenen Krankheit zu haben, heißt für die Angehörigen auch, von ihren Idealbildern einer Tochter, eines Sohnes, einer Schwester, eines Bruders … Abschied zu nehmen. Claudia ist die älteste Tochter von Antonella. Zwar hat sie eine gute Beziehung zu Margherita, aber sie musste auch damit fertig werden, dass ihre Schwester nicht wie andere Schwestern ist, und sie musste akzeptieren, dass ihre Eltern viel mehr Zeit mit ihrer kleinen Schwester zubringen als mit ihr selbst. „Sie kann ihre Gefühle auf ganz unterschiedliche Weisen zum Ausdruck bringen, und es ist nicht immer leicht mit ihr. Aber durch die Geburt unserer dritten Tochter, Elisa, ist wieder Harmonie in unsere Familie eingekehrt. Jetzt spielt Margherita die große Schwester!“ sagt Antonella.
Neben all ihrer Arbeit als Mami von drei Kindern ist Antonella auch noch Präsidentin von Angeli Noonan, der italienischen Organisation für Patienten mit Noonan-Syndrom. Sie erhielt den Namen „Angeli“, weil „diese Kinder wirklich ‚anders‘ sind: liebreizend, altruistisch, eigensinnig, intelligent und sehr zärtlich. Es scheint als würden sie mit ihrem eigenen, immer vorhandenen Lächeln die Anderen trösten und beschützen, wie Engel“, vertraut uns Antonella an.
Als Präsidentin von Angeli Noonan reiste sie in diesem August nach San Franzisco zu einem Symposium über besondere genetische Syndrome. „Es war sehr bewegend. Zum ersten Mal erlebten wir ein so großes Familientreffen. Wir begegneten Jacqueline Noonan, nach der das Noonan-Syndrome benannt ist! Auf ganz verschiedenen Gebieten lernten wir Neues: Wie man Leute zusammenbringt, wie man Wissenschaftler ohne ‚politischen Kompromiss‘ ins Boot holt und wie man Geld einwirbt, um zu überleben“, berichtet Antonella.
Die Familie lebt zusammen in Rom, und es geht ihnen gut, jeden Tag neu. Im Moment hat Antonella Esposito ein ganz profanes Elternproblem: “Margherita liebt Zeichentrickfilme, und einige Dialoge daraus kann sie schon auswendig. Ich weiß nicht, ob das was Gutes oder Schlechtes ist. Vielleicht zuviel Fernsehen?“
Schauen Sie sich das Video der Familie Esposito an
Dieser Beitrag erschien in der Dezemberausgabe 2009 unseres Rundbriefs.
Autor: Nathacha Appanah
Übersetzer: Ulrich Langenbeck
Fotos: © Angeli Noonan