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November 2011

Huntington-Krankheit


Die Diagnosestellung – seltene Krankheit – bringt große Veränderungen mit sich, nicht nur für die betroffene Person, sondern auch für die Familienangehörigen des Patienten. Denis Ryan und Roger Picard, zwei Männer, die ganz unterschiedliche Leben führen, verbindet die Erkrankung ihrer Ehefrauen an der Huntington-Krankheit (HD).

 

Denis & Anne RyanDenis Ryan lebt mit seiner Frau Anne in Irland, die 1996 mit Huntington diagnostiziert wurde. Bei Annes jüngerer Schwester wurde die Krankheit bereits vorher festgestellt und bei ihrer älteren Schwester waren die Symptome bereits erkennbar. Denis hatte schon länger den Verdacht, dass seine Frau HD hatte, aber es bestätigt zu bekommen, „ist ein lebensverändernder Moment“, erklärte er. „Dir wird klar, dass nichts mehr so sein wird, wie es war.“

 

Vor HD war sein Leben ziemlich normal. Anne kümmerte sich um die Kinder und Denis arbeitete als Ingenieur.

 

„Als die Kinder noch zu Hause waren, ’sauste‘ das Leben nur so an einem vorbei. Wenn sie dann ihre eigenen Wege gehen, fragen sich die Eltern oft ‚was nun‘? Naja, HD hat auf alle Fälle diese Frage beantwortet …“, meint Denis.

 

Die Huntington-Krankheit ist genetisch bedingt und verursacht Degeneration in bestimmten Hirnbereichen, was zu physischen, mentalen und emotionalen Veränderungen führt. Diese können sich bei jedem Patienten anders auswirken. Einige Merkmale sind Angstzustände, Reizbarkeit, Verfolgungswahn, Psychosen, Demenz, Bewegungs-, Sprach- und Schluckschwierigkeiten. Die geschätzte Prävalenz liegt bei 1/10000-1/20000.

 

Denis und Anne haben das relativ langsame Fortschreiten der Erkrankung ausgenutzt und einige Dinge unternommen, die sie schon lange geplant hatten, wie zum Beispiel Reisen.

 

„Solche Reisen sind jetzt nicht mehr möglich. Aber sie ‚prahlt‘ immer noch über unsere Grand-Canyon-Reise zum 40. Hochzeitstag!“, sagt Denis. „Obwohl Anne jetzt ziemlich eingeschränkt ist, versuchen wir trotzdem, unser Leben weiterhin zu genießen.“

 

Der Unterschied ist, dass Denis alle Entscheidungen treffen muss. „Während Anne sich aufgrund von HD verändert hat, musste ich lernen, mich auch zu verändern. Eine dieser großen Veränderungen ist der Verlust meiner Partnerin.“

 

, Roger & Denise Picard, Training session at the Ecole de l'AND (DNA school), MarseilleRoger Picards Frau wurde 1993 mit HD diagnostiziert. Sie zeigte genauso wie Anne bereits einige Zeit vorher Symptome. Nach 20 Jahren Familienleben zusammen in Frankreich veränderte sich alles sehr drastisch. Zwischen 1992 und 1994 hat Denise neunmal versucht, sich das Leben zu nehmen. Beim letzten Mal steckte sie das Haus in Brand.

 

„Die Krankheit und der Hausbrand haben unser ruhiges Leben völlig verändert. Ich musste mich um alles kümmern. Ich musste meine Arbeit aufgeben und habe mich bankrott erklären lassen.“

 

Beide Männer mussten lernen, Pfleger zu werden, samt aller Alltagskomplikationen, das Organisieren medizinischer Versorgung und externer Hilfe für ihre Frauen und auch für sich selbst. Innerhalb Europas gibt es große Unterschiede in der Krankenversorgung. Und Denis erklärt, dass sich allein schon in Irland, „die bereitgestellten Dienste von Region zu Region unterscheiden. Auch ist es nicht möglich, eine ‚Checkliste‘ von allen Ansprechpartnern zu bekommen. Weiterhin gibt es große Unterschiede im Engagement der verschiedenen Dienstleister.“

 

Denis hat sich an die Huntington’s Disease Association of Ireland (HDAI) gewandt und ist jetzt auch ihr Vorsitzender. „Durch die nun gebündelten Ressourcen aller Mitglieder haben wir gelernt, wie andere mit bestimmten Problemen umgehen und welche Dienste sie genutzt haben.“

 

Roger meint, sie hätten Glück gehabt, dass Denise zur neurologischen Abteilung des Krankenhauses in Creteil überwiesen wurde. Diese wurde nämlich 2004 zum Referenzzentrum für Huntington-Erkrankungen. Dennoch gibt es Probleme mit der sozialen Betreuung und der Unterstützung der Patienten. „Nach der Diagnosestellung werden die Patienten sich selbst überlassen und müssen mit den Folgen der Krankheit allein klarkommen. Wir werden nicht als Pfleger anerkannt und entsprechend behandelt. Wenn ich nicht alles selber mache, passiert gar nichts.“

 

Aus diesem Grund hat Roger die Fondation Denise Picard ins Leben gerufen und ist Präsident dieser. Das Hauptziel der Stiftung ist Einrichtungen für neurodegenerative Krankheiten einzurichten und zu verwalten.

 

Beide Männer betonen, dass es auch sehr wichtig ist, auf sich selbst zu achten, um sich weiterhin um ihre Frauen kümmern zu können. Aber es ist nicht immer leicht, die benötigte Entlastung auch zu bekommen. Am schlimmsten jedoch ist die Angst um die Kinder. HD ist eine erbliche Krankheit, und falls ein Elternteil davon betroffen ist, werden die Kinder mit einer Wahrscheinlichkeit von 50/50 auch daran erkranken.

 

Denis meint, „Dir ist bewusst, dass deine Kinder bald in das Alter kommen, wo die ersten Symptome auftreten. Das ist das Schlimmste.“

 

„Mit jemandem zu leben, der HD hat, kann zum Albtraum werden. Es ist schwer, zu sehen wie die Person, die du kanntest und liebtest, zu einer Person wird, die du nicht mehr erkennst (und die dich vielleicht nicht mehr kennt!). Es ist wie eine lange Trauerzeit.“

 

Trotzdem versuchen Roger und Denis, sich auf die positiven Aspekte ihrer Situation zu konzentrieren, auf die Hilfsbereitschaft anderer Menschen, die neuen Freunde, ihre Arbeit und das bereits Erreichte der HD-Verbände. Auch hoffen beide, dass eine Behandlung gefunden wird, falls nicht für ihre Frauen, dann zumindest für ihre Kinder. 


Dieser Artikel wurde zuerst in der Dezember 2011 -Ausgabe des EURORDIS-Newsletter veröffentlicht.
Autor: Irene Palko
Übersetzer: Peggy Strachan & Renate Fitzroy
Fotos: © M. R. Picard, M. D. Ryan

 

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