Ehlers-Danlos-Syndrom: Von Belgien nach Schweden
Zwei Frauen kämpfen gegen das Ehlers-Danlos-Syndrom Florence Simonis fasst das Leben mit einer seltenen Krankheit präzise, wenn auch etwas traurig, zusammen: “Jeder Tag ist eine Art Kampf gegen die Schmerzen, die Mattigkeit, die versteckten Behinderungen, ein Kampf gegen die Art, wie Leute Dich anschauen und manchmal gar kein Verständnis zeigen, aber auch ein Kampf gegen die Institutionen, wenn Du Hilfe brauchst, um mit der Krankheit zurecht zu kommen.“ Florence ist Präsidentin der belgischen GESED (Groupe d’Entraide des Syndrômes d’Ehlers-Danlos – Selbsthilfegruppe für die Ehlers-Danlos-Syndrome), und sie hat selbst ein Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS).
Die verschiedenen Typen des Ehlers-Danlos-Syndroms (EDS) sind eine Gruppe erblicher Krankheiten des Bindegewebes, vor allem des Bindegewebes der Haut , der Gelenke und der Gefäßwände. Der Schweregrad der Symptome des EDS ist außerordentlich verschieden. Die häufigsten Symptome sind: Überdehnbare und brüchige Haut mit Einblutungen; schlecht heilende Wunden; Narben, die sich im Laufe der Zeit verbreitern; überstreckbare Gelenke, die sich weit über den normalen Bereich hinaus bewegen können; und Herzprobleme. GESED wurde im Jahr 2002 gegründet. Bis dahin hatte es eine solche Gruppe für französisch-sprechende Belgier mit EDS nicht gegeben. „Ute Costermans, die bis Anfang 2009 die Präsidentin von GESED war, nahm damals regelmäßig an den Treffen von AFSED (Association française des Syndrômes d’Ehlers Danlos – Französische Vereinigung für EDS-Patienten) teil, da es keine solche Vereinigung in Belgien gab. Deshalb wollte sie eine ähnliche Hilfsstruktur in Belgien aufbauen. Im Jahr 2000 organisierte sie in Belgien ein erstes Treffen mit EDS-Patienten, die genau wie sie eine solche Gruppe aufbauen wollten. Dabei wurde sie von zwei französischen Ärzten aus der AFSED unterstützt, die für die wissenschaftlichen Aspekte des EDS standen. Und zwei Jahre später wurde die Vereinigung gegründet.“ GESED gab nicht nur den EDS-Patienten eine Stimme, sondern machte sich auch zur Aufgabe, grobe Ungerechtigkeiten zu korrigieren. „Viele Eltern hatte man beschuldigt, sie misshandelten ihre Kinder, weil die so häufig Blutergüsse und Hautwunden haben. Deshalb wurden dann auch die Arztkosten nicht rückerstattet, und die Symptome wurden mit der Zeit immer schlimmer,“ erklärt Florence Simonis.
Diese sehr aktive Vereinigung hat bereits erreicht, dass in Belgien die Ausgaben der EDS-Patienten für Krankengymnastik in höherem Umfang rückerstattet werden. Und GESED setzt sich intensiv dafür ein, dass das EDS als Behinderung anerkannt wird. Dann würden die Patienten zusätzliche Geldmittel erhalten, um z.B. ihr Haus und ihren Arbeitsplatz krankheitsgerecht einzurichten. Durch einen Newsletter, jährliche Treffen, Broschüren und regelmäßige Beteiligung an kulturellen Veranstaltungen will GESED in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für die Krankheit entscheidend verbessern, denn Ehlers-Danlos wird oft nur mit schlaffen Muskeln und Gelenken in Verbindung gebracht und nicht mit den übrigen, z.T. schweren Symptomen. Dieser Mangel an Kenntnissen verzögert oft die richtige Diagnose oder führt zu falschen Diagnosen, wie die EurordisCare-Studie gezeigt hat.
Als Britta Berlund, eine schwedische Krankenschwester, ihren späteren Ehemann Filip kennenlernte, fiel ihr zuerst gar nichts auf. Später berichtete er ihr von seiner sehr brüchigen Haut, von seinen vielen blauen Flecken und seinen Blutungen am Gaumen. „Das hatten mehrere in seiner Familie, und keinen kümmerte es besonders,“ erinnert sich Britta. Aber als Filips Mutter nach einer Magenoperation verstarb, weil sie zuviel Blut verloren hatte, klingelte in Brittas Kopf eine Alarmglocke: Blutungen am Gaumen ist die eine Sache, aber an einer Blutung versterben? „Es war 1989, eine Zeit noch weitgehend ohne Internet. Ich schrieb an einen amerikanischen Arzt, den ich früher auf einer Konferenz gehört hatte. Er schickte mir eine Menge Informationsmaterial, und so wurde ich mit dem Ehlers-Danlos-Syndrom bekannt“, erinnert sich Britta Berglund.
Lange hielt der Schock nicht an: „Wir dachten uns, wenn es schon in den USA eine ED-Vereinigung gibt, warum dann nicht auch bei uns in Schweden?“ So wurde 1992 EDSRIKSFÖRBUND, die schwedische EDS-Vereinigung mit 25 Mitgliedern gegründet. Jetzt gibt es mehr als 500 Mitglieder. „Langsam bauten wir die Vereinigung auf und sahen uns nach Informationen um. Ich schrieb an das Gesundheitsministerium in Norwegen und bat um Auskunft, ob es dort eine EDS-Vereinigung gibt. Nicht zu glauben, aber zur gleichen Zeit schrieb auch die britische Ehlers-Danlos-Vereinigung mit der gleichen Frage nach Norwegen, und von dort wurden wir zusammengebracht! Wir besuchten die Engländer und nahmen an ihren Konferenzen teil. Zusammen mit Dänemark und Norwegen haben wir inzwischen drei Nordische Konferenzen über EDS veranstaltet, die nächste wird im Oktober 2010 in Kopenhagen stattfinden“, berichtet Britta.
Als Krankenschwester und Gründerin der schwedischen ED-Vereinigung kümmert sich Britta Berglund täglich um die Belange der Patienten: „Wo kann ich einen Arzt und andere Spezialisten finden, wenn ich Hilfe brauche? Wer kann mir bei meinen Schmerzen helfen? Soll ich Kinder haben, wenn ich EDS habe? Welche Übungen helfen mir, bei Kräften zu bleiben?“ Britta Berglund wurde 1996 naturwissenschaftliche Doktorandin und erwarb ihren PhD mit einer Arbeit über das Ehlers-Danlos-Syndrom. Seither hat sie weiterhin das EDS untersucht und in schwedischen Journalen für Krankenschwestern, Gemeindeschwestern, Beschäftigungstherapeuten, Physiotherapeuten und Ärzte publiziert. Sie hat zwei Kinder, keines hat ein EDS. Nachdem sie 18 Jahre der schwedischen EDS-Vereinigung vorgestanden hatte, ist sie kürzlich von ihrem Amt zurückgetreten, weil sie mehr Zeit für ihr neues Forschungsprojekt benötigt. In diesem Projekt geht es um Überempfindlichkeiten gegen Nahrungsmittel, Darmprobleme, Ernährung und Mundpflege bei Patienten mit Ehlers-Danlos-Syndrom. Und Britta möchte auch mehr Zeit mit ihren Enkelkindern verbringen. Ja, manchmal reichen am Tag 24 Stunden einfach nicht aus.
Online-Gemeinschaften für Patienten mit seltenen Krankheiten
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Dieser Artikel wurde zuerst in der Oktober 2009 -Ausgabe des EURORDIS-Newsletter veröffentlicht.
Autor: Nathacha Appanah
Übersetzer: Ulrich Langenbeck
Fotos: © GESED & Britta Berglund