Der Arteriellen pulmonalen Hypertension
MIT EINER SELTENEN KRANKHEIT LEBEN
Der Mut, mit 50 und einer seltenen Krankheit ein neues Leben zu beginnen: Das Beispiel von Rosie Matthysen
Im Alter von 35 Jahren, mit Ehemann und zwei Kleinkindern im Schlepptau, kündigte Rosie Matthysen ihre Stellung bei einer Bank, verließ Brüssel und gründete ein Heim in Rixensart, einem grünen, ruhigen, belgischen Städtchen. „Ich fühlte mich so glücklich, so voller Kraft und Zuversicht. Ich hatte so viele Pläne und neue Ideen für unser Haus, ich hatte für zwei kleine Kinder zu sorgen, und alles was ich unternahm, unternahm ich von ganzem Herzen“, erinnert sich Rosie. Sicher, es gab gelegentliche Besuche bei ihrem Arzt, weil ihr Herz schrecklich raste und weil sie häufig einen trockenen Husten hatte. Aber meist kam die Antwort: „Rosie, Sie arbeiten zu viel.“
Mit 45 zwangen Rosie Atemnot, geschwollene Knöchel, unangenehmer Herzschlag und aufgetriebener Leib, ihre gewohnten Tätigkeiten einzuschränken. Ihre Angst wurde immer größer, aber ihr Hausarzt sagte ihr, es wäre die Menopause und etwas Depression, und ein Kardiologe fand überhaupt nichts Schlimmes an ihrem Herz. So ging sie fünf Jahre lang immer wieder zu ihrem Hausarzt und zu ihrem Kardiologen, bis endlich ein Arzt aus dem St Pierre-Krankenhaus, der schon mal etwas von der Arteriellen pulmonalen Hypertension (PH) gehört hatte, beschloss, der Sache nachzugehen. Der Primäre oder ungeklärte Lungenhochdruck (PPH) ist eine seltene Erkrankung der Lunge, bei der der Blutdruck in den Lungenarterien aus ungeklärten Gründen erhöht ist. „Nach einer Woche mit vielen Untersuchungen diagnostizierte er eine Primäre Arterielle Pulmonale Hypertension (mit unbekannter Ursache) und überwies mich an ein Krankenhaus mit Spezialisten für diese seltene Krankheit“, sagt Rosie.
Aber mehr noch stand ihr bevor. „In dem spezialisierten Zentrum sagte man mir, dass ich ohne Behandlung noch 2 Jahre zu leben hätte, dass aber auch mit Behandlung die Prognose immer noch schlecht sei“, erinnert sich Rosie. Die Ärzte schlugen ihr vor, entweder ein sehr starkes Medikament, Flolan (das über 24 Stunden intravenös verabreicht wird) anzuwenden oder in eine neue Studie zur oralen Behandlung mit [Beraprost->http://ec.europa.eu/enterprise/pharmaceuticals/register/o053.htm] einzutreten. Diese Substanz wurde 2001 als Orphan-Medikament gekennzeichnet. Die klinische Studie wurde 2004 abgebrochen und das Produkt aus dem europäischen Register für Orphan-Medikamente herausgenommen. Rosie Matthysen war im Jahr 2000 in diese Studie eingetreten und hielt 4 Monate durch. In dieser Zeit erhöhte ihr Kardiologe kontinuierlich die Dosis, bis sie in ein Koma fiel. Damals war sie 50 Jahre alt. Alles, was Ihr das Leben bisher bedeutet hatte, gab es nicht mehr. „Meine Kinder waren inzwischen Teenager und sie wussten, dass ihre Mutter jederzeit sterben konnte. Irgendwann hatten die Ärzte dann die Idee, dass mir eine Vorhof-Septotomie helfen könnte,” erinnert sich Rosie. Durch dieses Verfahren wird eine bereits bestehende Öffnung in der Septumswand zwischen den beiden Herzvorhöfen erweitert. Nach 1½ Monaten erwachte Rosie aus dem Koma. “Ich kam ins Leben zurück”, sagt Rosie. Nach 3 Wochen Physiotherapie kam Rosie wieder nach Hause und ihre eigenen Worte sagen alles: „Meine Rückkehr war wie ein Blitzstart in ein neues Leben!“
“Ich lernte, die extrem schwierige Anwendung von Flolan zu kontrollieren. Das ‚vereinfachte Leben‘ gab mir Zeit für Gespräche mit Freunden und für die Beschäftigung mit meiner Familie. Auch für sie waren es wertvolle Stunden“, beschreibt Rosie diese Zeit. Als sie sie sich allmählich besser fühlte, gründete sie zusammen mit ihrem Ehemann Luc die belgische Vereinigung der PH-Patienten (HTAP Belgique). Dabei half ihr das Expertenteam am Erasmus-Krankenhaus in Brüssel. Finanzielle Unterstützung kam von einem privaten belgischen Stromanbieter. “Es war und ist immer noch eine sehr anstrengende Arbeit, PH-Patienten sind sehr gebrechliche und schwierige Personen, die schnell ermüden und sehr belastende Behandlungen erhalten. Zum Glück boten Familien und Freunde ihre Hilfe an und tun das immer noch.“
Die Vereinigung unterstützt Patienten und ihre Familien und setzt sich dafür ein, dass die belgische Öffentlichkeit über PH aufgeklärt wird. „Mit der Hilfe unseres Sponsors organisieren wir kostenlose Veranstaltungen zur Entspannung. Großer Beliebtheit erfreuen sich unsere Bootsfahrten und Familientreffen. Muße ist ein normales Menschenrecht und alles andere als bedeutungslos, Muße ist für das geistige und körperliche Wohlbefinden unverzichtbar“, sagtRosie. Die HTPA Belgique gründete zusammen mit Vertretern aus 10 anderen europäischen Ländern die Europäische Allianz der Nationalen PH-Vereinigungen (PHA Europe). PHA Europe ist Mitglied von Eurordis.
Jetzt haben die Patienten im Erasmus-Krankenhaus in Brüssel ihre eigene “Clinique de l’hypertension pulmonaire” (Lungenhochdruck-Klinik) mit Kardiologen, Krankenschwestern, Physiotherapeuten, Ernährungsberatern und Psychologen. Rosie wird jetzt mit Remodulin® behandelt. Dessen Anwendung (24-stündige, kontinuierliche, subkutane Infusion mit einer Pumpe) ist einfacher und die Wirkung verlässlicher.
Obwohl die PH ihr Leben veränderte und sie viel Leid und Schmerzen durchmachte, hat Rosie immer noch die Begeisterung und Courage, mit der sie im Alter von 35 lebte. „Ich weiss, das es sinnlos ist, über Dinge nachzudenken, die mir nicht mehr möglich sind. Ich nenne das ‚positive Vermeidung‘ und konzentriere mich lieber auf all die großartigen Dinge, die ich noch machen kann. Unsere erfahrene Krankenschwester Marie-Thérèse und ich haben im März am Öffentlichen Hearing über Seltene Krankheiten im Europa-Parlament teilgenommen. Meine Diagnose wurde vor 8 Jahren gestellt. Im Augenblick ist meine PH stabil und ich denke, ich bin ein Menschen mit großem Glück. Unsere Kinder haben ihre Studien erfolgreich abgeschlossen und führen ein aufregendes Leben. Bald stehen Hochzeiten an. Und ich wünsche mir sehr, Großmutter zu werden …“
Online-Gemeinschaften für Patienten mit seltenen Krankheiten
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Autor: Nathacha Appanah
Übersetzer: Ulrich Langenbeck
Fotos: Alle Fotos © Matthysen schließen aus Lunge © C.Natoli