Das 18. Seminar von EURORDIS‘ Rundem Tisch der Unternehmen betrachtet körperschaftliche Verantwortung und innovative Politikansätze zur Verbesserung des Zugangs zu Orphan-Medizinprodukten
EURORDIS‘ Runder Tisch der Unternehmen (ERTC) traf sich am 27. Februar in Brüssel zur Besprechung der körperschaftlichen Verantwortung für die Verbesserung des Zugangs zu Orphan-Medizinprodukten im Kontext der aktuellen wirtschaftlichen Situation in Europa und unter Beachtung der nationalen Pläne für seltene Krankheiten, zu deren Entwicklung bis Ende 2013 alle EU-Mitgliedsstaaten aufgefordert sind.
Der ERTC bietet seinen Mitgliedern eine einzigartige Möglichkeit, sich mit anderen biopharmazeutischen Unternehmen sowie führenden Patientenvertretern für seltene Krankheiten, Wissenschaftlern und nationalen bzw. europäischen Gesundheitsbehörden auszutauschen. Die alle sechs Monate stattfindenden Seminare verbessern die Beziehungen zwischen allen wichtigen Interessenvertretern, beschleunigen die Entwicklung und erweitern die Verfügbarkeit von Therapien in Europa. Mehr als 80 Teilnehmer aus 11 Ländern (aus der EU, den USA und Kanada) kamen auf dem ERTC-Seminar im Februar zusammen.
Thomas Heynisch, (Europäische Kommission, GD Unternehmen) präsentierte den Fortschritt bei der Schaffung eines Mechanismus für den koordinierten Zugang zu Orphan-Produkten (MoCA) als Teil der europäischen Plattform für den Zugang zu Medizinprodukten in Europa – ein zweijähriger Strategiediskussionsprozess, in welchem EURORDIS Patienten repräsentiert. Das MoCA-Verfahren dient zur Bereitstellung eines kostengünstigen und nachhaltigen Patientenzugangs zu Orphan-Medizinprodukten. Das Hauptziel des MoCa-Verfahrens ist die Schaffung eines Rahmenwerks zwischen den Zahlern von EU-Mitgliedsstaaten unter Einbeziehung medizinischer Experten, Patientenvertretern und Zulassungsinhabern. Dieses Rahmenwerk sollte auf dem EU-Regulierungsprozess aufbauen und die zunehmende Kooperation zwischen der Europäischen Arzneimittel-Agentur und der Medizintechnik-Folgenabschätzung (HTA) in Betracht ziehen. Herr Heynisch betonte, dass Patientenorganisationen eine Rolle spielten und weiterhin eine Rolle spielen werden, dabei ihre jeweiligen Mitgliedsstaaten davon zu überzeugen, proaktiv an diesem Prozess teilzunehmen.
Während die Länder über ihre nationalen Strategien für seltene Krankheiten entscheiden, betrachtete das Seminar wie auf EU-Ebene entwickelte Initiativen zwischen den Mitgliedsstaaten und mit der Beteiligung anderer Interessenvertreter die nationalen Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs zu Orphan-Medizinprodukten miteinander verbinden könnten. Welche Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs können identifiziert und gefördert werden? Das auf MoCA basierende Europäische Rahmenwerk für mehr Transparenz bei der Preisfestlegung wird es Zahlern von EU-Mitgliedsstaaten ermöglichen, eine gemeinsame Bemessungsgrundlage zur Bestimmung des Werts von Orphan-Medizinprodukten festzulegen und fundierte nationale Preisentscheidungen zu unterstützen, damit Verzögerungen und doppelter Aufwand bereits an dieser Stelle vermieden werden können. Die gesammelte Erfahrung würde Vertrauen zwischen allen Beteiligten aufbauen und zur Identifizierung der zukünftigen Vorteile von koordinierten Preisverhandlungen für jeden Beteiligten beitragen. Diese koordinierten Preisverhandlungen basierend auf der gemeinsamen Wertbemessungsgrundlage (MoCA), auf aggregierten Patientenzahlen von freiwillig beitragenden EU-Mitgliedsstaaten und auf Anwendungsbeobachtungen nach der Marktzulassung. Diese Anwendungsbeobachtungen wiederum tragen zur Verringerung von Unsicherheiten bei und bestätigen die adäquate Position eines Produktes in der therapeutischen Strategie. Es wurde betont, dass der klinische Mehrwert von Orphan-Medizinprodukten (CAVOMP) und das MoCa-Verfahren sich gegenseitig ergänzen und ein Kontinuum von Ansätzen für fundierte und solide Entscheidungsprozesse und für die gleichzeitige Verbesserung des Patientenzugangs bieten.
Johan van Calster, (ehemaliger Leiter der belgischen Arzneimittel-Agentur) berichtete über Debatten, an welchen EURORDIS stark beteiligt ist, zur differenzierten Preisgestaltung als eine zusätzliche und potenziell wichtige Politikinnovation zur Verbesserung des Zugangs zu Medizinprodukten. Differenzierte Preisgestaltung bezieht sich auf den Verkauf des gleichen Medizinproduktes zu unterschiedlichen Preisen auf verschiedenen Märkten, hier basierend auf dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) des jeweiligen Landes und der Prävalenz einer Krankheit. In Entwicklungsländern verbesserte differenzierte Preisgestaltung bereits den Zugang zu Medizinprodukten. Die Vorteile und Risiken der Anwendung von Orphan-Arzneimitteln innerhalb der EU wurden betrachtet und es wurde aufgezeigt, dass ein Preissystem basierend auf externen Referenzpreisen nicht kompatibel ist mit der differenzierten Preisgestaltung und die Teilnahmebereitschaft von Unternehmen verringern könnte. Parallelhandel wurde nicht als aktuelle bzw. potenzielle Thematik für Orphan-Produkte betrachtet. Ein transparentes Markteintrittskonzept/ Markteintrittsabkommen mit einer Verpflichtung der teilnehmenden Mitgliedsstaaten, die Prinzipien der differenzierten Preisgestaltung anzuwenden und einer Verpflichtung der Unternehmen, Medizinprodukte innerhalb von zwei Jahren nach Erhalt der Marktzulassung auf den Markt zu bringen, wurde gefordert.
Richard Bergström, Generaldirektor der Europäischen Föderation von Verbänden der pharmazeutischen Industrie, präsentierte die Perspektive der Industrie zur differenzierten Preisgestaltung und verwies auf wichtige Fragen wie die Notwendigkeit von Verfahren zur Sicherstellung, dass ein gemeinsames, europäisches, politisches und legislatorisches Rahmenwerk, das Preisgestaltungsentscheidungen auf Ebene der Mitgliedstaaten (oder sogar auf regionaler Ebene) beibehält und die Teilnahmebereitschaft der Industrie sicherstellt. Differenzierte Preisgestaltung wurde betont als ein wichtiges mittel- und langfristiges Ziel zur Ermöglichung des Zugangs zu Orphan-Arzneimitteln. Auch sollte sie freiwillig bleiben und keine legislatorischen Änderungen benötigen. Nettopreisdiskretion sollte eine zentrale Rolle für die differenzierte Preisgestaltung spielen und Zahler müssen sich frühzeitig in diesem Prozess involvieren.
Während des eintägigen Seminars wurde das Zusammenwirken zwischen CAVOMP, MoCA, der Markteintrittsvereinbarung und der differenzierten Preisgestaltung als innovative Politikansätze zur Verbesserung des Zugangs zu Orphan-Medizinprodukten zunehmend verstanden und unterstützt. Für diese innovativen Politikansätze sind Pilotprojekte zur Sammlung von Erfahrung und zur Verständniserweiterung notwendig.
Am Nachmittag wurden die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Zugang zu Medizinprodukten in EU-Ländern debattiert. Eine Podiumsdiskussion konzentrierte sich auf die Situation in Griechenland sowie in anderen Ländern und auf Faktoren, die die Situation weiter verschärfen.
Das 18. Seminar des ERTCs erweiterte erfolgreich das Verständnis zu den komplexen Fragen zum Prozess in Richtung gleichberechtigten und schnelleren Zugang zu Medizinprodukten für Menschen mit seltenen Krankheiten in Europa.
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Übersetzer: PeggyStrachan